Exkursion zu den Hülben der Rauhen Wiese
Auf den Spuren unseres Gründungsmitglieds Dr. Rudolf Hauff (1891 - 1984)
Throwback in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
Schnurgerade führt das mit einer Birkenallee bestandene Sträßchen durch eine weite, mit Heidekraut bewachsene Ebene. Am Rand dieser Ebene findet sich im Schatten mächtiger Linden ein einsames Gebäude – ein uralter Schafstall. Weit draußen hüten die Hirten ihre Schafherden.
Ein Bild, dem Imageprospekt der Lüneburger Heide entsprungen. Weit gefehlt! Diese für uns Älbler exotisch anmutende Gegend liegt Mitten auf der Schwäbischen Alb.
Auf dem Weg von Röthenbach nach Steinenkirch, wohin es beinahe zwei Stunden sind, kommt man über das Rauhe Ried, eine Ebene, welche diesen Namen verdient. Dürres Gras ohne Blumen, die Rainen ausgenommen, große Erdfälle, gegen Röthenbach tiefes Sumpfland, erschreckt jeden Wanderer.“
Johann Herkules Haid, 1786
Mächtige Schichten aus entkalkten Feuersteinlehmen dichten über weite Strecken den karstigen Kalksteinuntergrund ab, so dass durch den Stau des Oberflächenwassers Feuchtbiotope und nasse Wiesen neben trockenen Lebensräumen zu finden sind, die aufgrund ihrer sauren Böden eine für die Alb außergewöhnliche Flora beherbergen.
1936, 150 Jahre nach Haids Version von „O schaurig ist’s über’s Moor zu gehn“ hat Dr. Hauff die Flora der Rauhen Wiese wissenschaftlich untersucht und publiziert.
Einige Zitate aus dem Vorwort von „Die Rauhe Wiese bei Böhmenkirch-Bartholomä – Ein Beitrag zur Kenntnis der Ostalb“:
Jedem, der das Albuch abseits des Albtraufes durchwandert, muss die eigenartige Flora auffallen, die gar nicht recht zum Bild des Albflora passen will. Heidelbeeren in den Buchenwäldern, Heidekraut auf der Schafweide und bleiche oder rötliche Torfmoose in den Hülben sind für die Alb ungewöhnliche Erscheinungen. […] Am schönsten entwickelt ist diese Albuchflora auf der Rauhen Wiese […]. Die genauere Untersuchung ergab dort […] die Feststellung einiger für die Albhochfläche ungewöhnlicher Pflanzengesellschaften. Sie vereinigen sich mit einer ganz altertümlichen und eigenartigen Wirtschaftsweise.“
Bei der Egart genannten Bewirtschaftungweise wurden auf der weit von Böhmenkirch entfernten Fläche abwechselnd einzelne Stücke für wenige Jahre als Acker genutzt und Hafer ober Buchweizen angebaut, anschließend für mehrere Jahrzehnte wieder als Weide unbearbeitet liegen gelassen.
„Weil nun diese Wirtschaftsweise den Bedürfnissen unserer Zeit (*) weichen muss, und damit auch die an sie gebundene Flora stark zurückgedrängt und bedroht ist, glaube ich, dass es an der Zeit ist, das Gesamtbild dieser auch landschaftlich so charaktervollen Alblandschaft zu schildern und dafür zu sorgen, dass erhalten wird, was irgend erhalten werden kann.“
(*) 1933 wurde die Siedlung Heidhöfe neben dem eingangs erwähnten Schafstall gegründet und das Egart-Calluna-Heide-„Unland“ in moderne landwirtschaftliche Flächen umgewandelt.
Fast 90 Jahre nachdem Dr. Hauff diese Zeilen aufgeschrieben hat, haben wir die Hülben und Erdfälle, die letzten Relikte dieser untergegangen Landschaft, diese einmalige Biotope im Rahmen unserer Exkursionsreihe „Glanzlichter – 50 Jahre BNAN“ aufgesucht. Sie lagen Dr. Hauff zeitlebens am Herzen und wurden durch seinen Einsatz unter Schutz gestellt.
Sein Vermächtnis war dem BNAN seit seiner Gründung Verpflichtung, sich auch künftig für die Pflege der dortigen Lebensräume einzusetzen. (Eine ausführliche Chronologie unserer Tätigkeiten auf der Rauhen Wiese finden Sie in unserem Jahresbericht 2022.)
Vor allem dank des Engagements unseres Gründungsmitglieds Ludwig Walderich finden sich nach wie vor wertvolle Biotope, auch wenn im Lauf der Jahrzehnte viele Einbußen an der Vielfalt hinzunehmen waren. Verschollen sind inzwischen: Schwarzwurzel, Kleiner Wasserschlauch, Wald-Läusekraut, Sandglöckchen und Arnika.
Selbstredend bieten die Hülben der Rauhen Wiese auch der Tierwelt reichhaltige Lebensgrundlagen. Von den 74 Libellenarten, die in Baden-Württemberg vorkommen sind an den Hülben 37 Arten nachgewiesen worden.
Unterwegs waren wir auf dem ausgeschilderten Weg „Naturerlebnis Rauhe Wiese“, der uns an allen sehenswerten Biotope vorbeiführte, ohne dass diese betreten werden müssen, was im Fall eines ausgewiesenen Naturdenkmals sowieso nicht erlaubt ist. Die Rundtour ist auch ohne fachkundige Führung dank der Infotafeln informativ. Die vertiefenden Hintergrundinformationen gibt es jedoch nur bei uns.
Bei uns werden aber auch Probleme angesprochen und Lösungen vorgeschlagen und umgesetzt. Vor allem die Eutrophierung durch Lufteintrag und Landwirtschaft (nur durch Kunstdünger konnte die nährstoffarme Egart-Heidekraut-Heide in Ackerland umgewandelt werden) gefährden Hülben und Erdfälle, denn die Nährstoffanreicherung lässt vermehrt konkurrenzstarke Kräuter (z.B. Kanadische Wasserpest) und Gehölz aufkommen, die die einst offenen Biotope überwuchern. Permanente Pflegemaßnahmen bis hin zur Ausbaggerung der Hülben müssen hier Abhilfe schaffen. Leider werden diese wertvolle Lebensräume nach wie vor als bequeme Entsorgungsmöglichkeit missbraucht: Beispielsweise werden immer wieder überzählige Goldfische in den Hülben ausgesetzt, die sich rasant vermehren und den Nachwuchs der Amphibien und Libellen wegfressen. So erbrachte die jüngste Abfischung der Kolmannshülbe die reiche Ernte von über 1.000 Goldfischen.
Es bleibt auch künftig genug zu tun, um das Vermächtnis von Dr. Hauff zu bewahren.