Exkursion zum Feldflorareservat und der Talbachwiese

Im Rahmen unserer Glanzlichter-Veranstaltungen anlässlich des 50-jährigen Bestehens des BNAN haben wir zusammen mit der BUND Gruppe Weinstadt die Natur und die von uns betreuten Naturschutzflächen bei Unterböhringen besucht.

Zum einen das Feldfloraresevat am Tennenberg, anschließend die BNAN-Talbachwiese

Vom Feldfloraresevat zum Schutzacker

Ackerwildkräuter begleiten uns bereits so lange es den Ackerbau gibt. Die Farbenpracht ihrer Blüten erfreut dort, wo sie sich noch entfalten dürfen, unsere Augen.

3. Juli 1971

Heute ist ein besonderer Tag, denn wann passiert es, dass man eine so große Seltenheit wie den kleinen Frauenspiegel (Legousia hybrida) findet? Ich war auf einen Getreideacker bei Oberböhringen aufmerksam geworden, weil dort das Adonisröschen ziegelrot aus dem Feld herausleuchtete. Bei genauem Besehen des Ackerrandes entdeckte ich folgende Pflanzen: Kleiner Frauenspiegel, Acker-Steinsame. Sommer-Adonisröschen, Acker-Gauchheil, Acker-Hahnenfuss, Rundblättriges Hasenohr, Strahlendolde.

Ludwig Walderich – Gründungsmitglied BNAN Berzirksgruppe Geislingen

Die Zeiten sind jedoch längst vorbei, auch auf dem Oberböhringer Michelsberg hat die Intensivierung der Landwirtschaft ihre Spuren in der Artenvielfalt hinterlassen.

Der Weitsichtigkeit unseres Ludwig Walderichs und dem Idealismus der Landwirtsfamilie Schweizer aus Unterböhringen ist es zu verdanken, dass diese gefährdeten Wildkräuter – oft zu Unrecht als Unkraut tituliert – auf dem im Jahr 1980 initiieren Feldflorareservat bei Unterböhringen ein dauerhaftes Refugium erhalten haben.

Bis 1992 wurde auf der relativ kleinen Pachtfläche die uralte Bewirtschaftungsform der Dreifelderwirtschaft durchgeführt. 1992 hat dann die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Göppingen das Projekt Feldfloraresevat finanziell übernommen. In diesem Zug wurde ein nahe liegender Acker mit einbezogen, sodass jetzt drei größere Feldstücke für eine günstigere Bewirtschaftung der Dreifelderwirtschaft vorhanden sind. Bei dieser Bewirtschaftungsform wechsel sich jährlich Wintergetreide. Sommergetreide und Brache ab. Nachdem lange Zeit die beiden Getreidearten Dinkel und Hafer angebaut wurden, wechseln sich jetzt die Urgetreide Einkorn und Emmer ab. Der Erhalt der Ackerunkräuter, der Segetalflora, hat nicht nur einen Naturschutz-, sondern auch einen kulturhistorischen Aspekt.

Trotz der Weitsicht Walderichs – nach dem Reservat Beutenlay bei Münsingen war das vom ehrenamtlichen Naturschutz ins Leben gerufen Feldfloraresevat bei Unterböhringen das zweite in Baden-Württemberg -, trotz der finanziellen Unterstützung durch die untere Naturschutzbehörde war es lang Zeit ein lokales, auf das Filstal beschränkte, Projekt.

Die Schönheit eines blühenden Ackerfeldes ist uns fremd geworden, denn solche Felder, in denen sich Kornraden spiegeln und Kornblumen einen blauen Schimmer über das wogenden Getreide gelegt haben, sind weitgehend ausgestorben, haben der Hochleistungslandwirtschaft nicht standgehalten. […] So muss man heute davon ausgehen, dass sehr viele Ackerkräuter wesentlich seltener geworden sind als die meisten Orchideenarten.

Zitat aus der Rede unseres damaligen Bezirksgruppenleiters Andreas Seidel anlässlich der Einweihung der Schutzäcker am 23. Juli 2010

 

Aus dem Feldfloraresevat werden Schutzäcker

„100 Äcker für die Vielfalt“. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanzierte Vorhaben hat zum Ziel, ein bundesweites Netz an Schutzgebieten für Ackerwildkräuter einzurichten. Kriterien zur Aufnahme in das Projekt waren unter anderem:

• die Schutzäcker sollen ein aus botanischer Sicht herausragendes Arteninventar aufweisen

• die Bewirtschaftung der Schutzäcker soll in enger Zusammenarbeit mit regional ansässigen Landwirten und Landschaftspflege- oder Naturschutzverbänden erfolgen

Nachdem wir in den zurückliegenden Jahren über 140 Pflanzenarten auf den Feldern des Florenreservates dokumentiert haben und von Beginn an eine Kooperation mit Landwirtschaft und amtlichen Naturschutz (jetzt LEV – Landschaftserhaltungsverband Göppingen) praktiziert haben, stand der Aufnahme in das Netzwerk der 100 Äcker nichts mehr im Wege. Sicherlich ein schönes Symbol für 40 Jahre Schutz der “Ackerunkräuter”. Auch wenn inzwischen auf mehreren Gemarkungen Schutzflächen für die “Kostbarkeiten auf Ackerland” umgesetzt sind, so sind diese in einer immer intensiverer bewirtschafteten Landschaft doch nur der verzweifelte Versuch, die Reste dessen zu erhalten, was vor noch nicht allzu langer Zeit alltäglich war.

Von der Trollblumenwiese zur Hochstaudenflur

Nicht weit von den am Hang liegenden Schutzäckern entfernt liegt in der Talaue des Talbachtales die BNAN-eigene Talbachwiese. Ein weiterer Grenzertragsstandort. Sind die Äcker zu steil, zu trocken und zu steinig um einen vernünftigen Ertrag zu erwirtschaften, so war die Talbachwiese in der Vergangenheit zu feucht um darauf wertiges Futtergras zu gewinnen. Dafür blühte dort die Trollblume reichlich und der Sumpf-Dreizack fand dort seinen Lebensraum.
Warum sich das in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat?
Wir wissen es nicht. Ist es der Düngereintag von den umliegenden Wiesen und aus der Luft, der Klimawandel – bei unserem Besuch führte der Talbach, wie in vielen Jahren zuvor, kein Wasser mehr -, ist es die alte Drainage, ist es unsere Biotoppflege, oder eine Mischung aus allem, was die Trollblume an den Rand des Verschwindens gebracht hat, den Sumpf-Dreizack verschwinden ließ? Wir haben uns von diesem Rückschlag nicht unterkriegen lassen und unsere Ziele neu definiert.
Die Talbachwiese ist jetzt eine Hochstaudenflur mit derzeit blühendem Baldrian, Mädesüß, Zottigem Weidenröschen und einigen eingestreuten Engelwurzen. Eine Deckung für Hasen, Rehe und Füchse in der bewirtschafteten Landschaft. Wir mähen im Spätwinter bzw. Vorfrühling jeweils nur die Hälfte der Fläche, so dass sich dort im Winter gelegentlich nordische Schnepfen einfinden, aber auch manches durchziehende Braunkehlchen – der Vogel des Jahres 2023 – gerne einen Zwischenstopp einlegt.

Übrigens: sowohl das Feldflorareservat als auch die Talbachwiese ist Neunis Land. Nicht zu verwechseln mit Chatos Land. Im Film mit Charles Bronson werden die Eindringlinge mit Gewalt vertrieben, in Neunis Land nur lautstark vom dort wohnenden Neuntöter beschimpft.

Exkursion Felflorareservat 2023 - Neuntöter