Frühling im Geislinger Längental

– unterwegs auf dem ehemaligen Trimm-dich-Pfad.

Nach wenigen zurückgelegten Metern, beim letzten noch blühenden Lerchensporn, war uns klar, dass wir die normalerweise um diese Zeit blühende Vorfrühlings-Vegetation nicht mehr einholen würden: der Vorsprung der Vegetation– zwei bis drei Wochen gegenüber dem langjährigen Durchschnitt – ist einfach viel zu groß. Da hilft kein Spurt mehr! Da helfen nur neue Ziele am Wegesrand!

Spoiler: uns wurde nicht langweilig. Da die Natur gerade explodiert, gab es so vieles zu entdecken, dass wir uns nur in unserem – inzwischen legendären – BNAN-Exkursions-Tempo bewegten. Trotz Trimm-dich-Pfad!

Wir haben das Wunder-Veilchen bewundert und die Wald-Veilchen bestaunt.

Wir haben die Blüte der Haselwurz gesucht und gefunden. Ein kleiner Tipp, falls du auch mal suchen willst: die Haselwurz wird von Ameisen bestäubt. Ist die Blüte dann idealerweise hoch oben oder …?

Wusstest du, dass…

• der Aronstab über seinen rötlichen Kolben einen für Schmetterlingsmücken betörenden Aas-Geruch ausströmt? Die Mücken werden dadurch angelockt und in der Kesselfalle solange gefangen gesetzt, bis die Pflanze bestäubt ist und die Mücken neu mit Pollen eingepudert sind. Danach öffnet sich das Gefängnis und das Spiel beginnt bei einer weiteren Blüte aufs neue.

• sich die Zwiebel-Zahnwurz durch die kleinen Zwiebelchen in den Blattachsen klont?

Wusstest du, dass…

• das Scharbockskraut früher als Vitamin-C-Spender gegen die Mangelkrankheit Skorbut gegessen wurde? Eine zweischneidige Sache, da das Scharbockskraut mit dem Alter immer giftiger wird.

• sich in der Vierblättrigen Einbeere griechische Dramen wiederfinden? Die Geschichte handelt von Paris, einem taffen Königssohn in der Rolle eines antiken Bachelors, drei Göttinnen, die darüber streiten, welcher von ihnen der goldene Apfel – der sprichwörtliche Zankapfel – zusteht (der Schönsten), und einer verhängnisvollen Entscheidung, die im trojanischen Krieg und der Zerstörung Trojas endete.  Eine Pflanze zum Philosophieren. Übrigens: es gibt auch fünfblättrige Einbeeren – auch im Längental.

• die Knoblauchsrauke essbar ist? Zum Fressen gerne haben die Pflanze jedoch die Raupen des Aurorafalters.

• auch die Ährige Teufelskralle, deren Blütenstände darauf warten sich zu öffnen, essbar ist? Auch wenn sie mit weiterem Namen Ährige Rapunzel genannt wird, so hat sie mit dem Feld- oder Ackersalat überhaupt nichts zu tun, auch wenn dieser ebenfalls Rapunzel heißt.

Zu kurz kamen hier im Rückblick: Rote Lichtnelke, blühender Bärlauch, Weiße und gefleckte Taubnessel, Goldnessel, Kriechender Günsel, Milzkraut, Vielblütige Weißwurz, Gelbes Windröschen und stellvertretend für alle hier vergessene Pflanzen, das Vergiss-mein-nicht.

Natürlich gab es auch für die Vogelfreunde viel zu entdecken: trommelnde Buntspechte, singende Heckenbraunellen, Zilpzalps und Mönchsgrasmücken und als kleines Highlight eine Mandarinente auf dem Teich am Wendepunkt unseres Weges.

Eines Weges, für den wir insgesamt über drei Stunden gebraucht haben. In dieser Zeit läuft ein Weltmeister die 1,5-fache Marathonstrecke (zumindest theoretisch). Wir haben in dieser Zeit auf dem ehemaligen Trimm-dich-Pfad nicht einmal ein Zehntel der Strecke zurückgelegt. Fühlen wir uns deshalb als Loser? Keineswegs! Die vielen Eindrücke haben uns ein Glücksgefühl beschert. Vergleichbar mit dem Sieg auf der Marathonstrecke, oder – wir wollen bescheiden bleiben – mit der Bestzeit auf dem Geislinger Trimm-dich-Pfad. Von dem wir im übrigen gar nichts mehr gefunden haben. Das Schlagwort, das Zauberwort, bei unseren Exkursionen heißt: Entschleunigung!